Wie Man Scham Behandelt: Ein Leitfaden Für Psychotherapeuten

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Anonim

Die Behandlung von Scham ist ein sehr schwieriger und mühsamer Prozess. Was sind die Schwierigkeiten? Erstens erkennen Kunden ihre Scham nicht gut. Zweitens: Kunden neigen dazu, ihre verlegenen Teile zu verbergen. Drittens: Schamheilung ist ein sehr langsamer Prozess. Trotz der Schwierigkeiten ist Scham ein behandelbarer Zustand.

Der Psychotherapeut Ronald Potter-Efron identifiziert fünf Phasen der Arbeit mit Scham.

1. Schaffen Sie eine sichere Umgebung für den Kunden, um seine Scham zu offenbaren

Nichts Nützliches wird passieren, bis ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Klienten und dem Therapeuten aufgebaut ist. In der Regel präsentiert der Klient in den ersten Therapiephasen Themen, die ihm nicht am peinlichsten sind.

2. Akzeptiere diese Person mit ihrer Scham

Wenn ein Klient peinliche Informationen mitteilt, muss der Therapeut davon absehen, ihm die Scham auszureden. Für den Therapeuten ist es wichtig, den Klienten in seiner Scham akzeptieren zu können, als würde er sagen: "Ja, ich sehe deine Scham und wofür du dich schämst, aber ich lasse dich nicht bei dir."

3. Untersuche die Quellen der Scham

Der Zweck dieser Phase besteht darin, dem Klienten zu helfen, zu verstehen, dass seine Scham durch die Einstellungen anderer und nicht durch die tatsächliche Situation verursacht wird.

4. Ermutigen Sie den Kunden, sein Selbstbild zu hinterfragen, überprüfen Sie die Gültigkeit peinlicher Nachrichten

Die vorherigen Phasen sind wichtig, damit sich der Klient seinem Selbstbild zuwendet. Wie ist er wirklich? Wir hoffen, dass der Kunde selbst mit der Recherche beginnt. Es ist die Aufgabe des Therapeuten, diese Tendenz aufrechtzuerhalten und die Gültigkeit der Botschaften, die der Klient von anderen Menschen erhalten hat, in Frage zu stellen. Zum Beispiel: Woher wusste deine Mutter, dass du so schrecklich bist? Ich sehe nichts Falsches an dir. Und Sie?

5. Unterstützen Sie Veränderungen im Selbstbild, die gesunden Stolz aufbauen

Der Kunde hört auf, sich als irreparabel defekte Person wahrzunehmen. Die Idee ist, dass er "gut genug" ist - dies führt zur Bildung von realistischem Stolz. Dies ist ein langsamer Prozess. So wird der Kunde manchmal in Schande zurückfallen. Die Aufgabe des Therapeuten ist es, einen gesunden Teil der Persönlichkeit zu erhalten.

Ein Beispiel für die Arbeit mit Scham von Ronald Potter-Efron aus seinem Werk "Shame, Guilt and Alcoholism"

„Linda ist die 40-jährige Tochter eines alkoholkranken Vaters und einer „verrückten“und körperlich missbräuchlichen Mutter. Als Kind wurde sie regelmäßig geschlagen und gedemütigt. Sie schämt sich so sehr, dass sie sich hilflos fühlt, ihr derzeitiges Leben mit ihrem chemisch abhängigen Ehemann zu ändern. Nach sechs Monaten Therapie war sie soweit, dass sie einer Therapiegruppe beitreten konnte.

Eine einführende Übung, die ich verwendet habe, heißt "The Mask". In dieser Übung werden die Kunden zuerst gebeten, ihre Masken zu malen – die Bilder, die andere sehen sollen. Und dann die Person unter der Maske. Sobald Linda diese Person gezeichnet hatte, wurde sie sehr aufgeregt und verließ plötzlich den Raum, rannte mit einem Anfall von Übelkeit zur Toilette. Sie hatte den Mut, zurückzukehren, lehnte aber meine Einladung ab, der Gruppe mitzuteilen, was passiert ist.

Stufe eins: Sicherheit und Offenlegung

Linda befand sich in einer neuen Umgebung, in der sie sich zu verletzlich fühlte, um ihre Scham zu offenbaren. Sie brauchte die Bestätigung, dass ich nicht versuchen würde, sie jetzt zu zwingen, darüber zu sprechen. Ich tat es nonverbal, schlug ihr dann aber vor, nach der Sitzung zu bleiben, weil ich nicht wollte, dass sie so verängstigt und beschämt ging.

Privat zeigte mir Linda, was passiert war: Die "echte" Person unter ihrer Maske entwickelte sich spontan zu einer gehörnten Satansfigur. Linda betrachtete sich selbst als den Teufel, ein Bild, das viele beschämte Menschen charakterisiert.

Stufe zwei: Akzeptanz

Linda war schockiert, weil sie nicht erwartet hatte, dass ihre Scham so schnell und mit solcher Wucht auftaucht. Auch dieses innere Bild erkannte sie; er fühlte sich vollkommen richtig und vertraut, obwohl sie nicht wusste warum. Sie musste mir genau erklären, warum sie sich wie Satan fühlte, korrumpiert und unmenschlich. Meine Rolle in dieser Phase bestand darin, ihre Offenheit zu fördern und ihr nicht zu erlauben, sich selbst so sehr zu verachten, dass ich den Kontakt zu ihr verlieren könnte. Ich musste einen starken Drang unterdrücken, unser Unbehagen zu lindern, indem ich ihr zu Hilfe eilte, bevor wir uns ihrer Scham wirklich stellen mussten.

Stufe drei: Forschung

Ich fragte laut, wer Linda sagen könne, dass sie der Teufel sei, der die Hörner an ihrem Kopf befestigt hat? Zu meiner Überraschung erinnerte sich Linda sofort daran, was sie dreißig Jahre lang ersetzt hatte; mehrere Jahre lang vor und nach der Pubertät wurde sie von ihrer Mutter, die sie schlug, wiederholt als Teufelskind bezeichnet. Unfähig zu widerstehen, hat sie dieses Vertrauen in den Kern ihrer Identität integriert und ihre Quelle verdrängt. Daran konnte sie nicht zweifeln, denn diese Botschaft stand ihr auf einer bewussten Ebene nicht zur Verfügung.

Stufe vier: Fragen und Zweifel

Glücklicherweise hat Linda lange genug an ihrem Selbstverständnis gearbeitet, dass sie anfangen kann, an diesem Bild für sich selbst zu zweifeln. Ein Teil von ihr war wütend und akzeptierte immer noch nicht, dass sie schrecklich war. Von mir ermutigt, erlaubte sie mir, die Teufelshörner auf ihrem Kopf auszustreichen, betrachtete das verbliebene Bild einer normalen Frau und brach vor Erleichterung in Tränen aus. Sie erkannte, dass sie die Definition eines anderen von sich selbst "geschluckt" hat und dass sie dieses Bild jetzt ablehnen und durch ein positives ersetzen kann.

Stufe fünf: Zulassung

Dann habe ich Linda gebeten, die neue Person zu zeichnen, die sie sieht. In ihrer Zeichnung war eine starke, intelligente und fürsorgliche Frau zu sehen, die den Betrachter direkt und stolz ansah. Wir haben darüber gesprochen, wie sie diesen neuen Menschen nicht nur jetzt, sondern auch vor einigen Sitzungen in der Therapie gefunden hat und wie diese neue Frau ihr Leben mit ihrem Mann und ihrer Familie bereits verändert hat."

Wichtig: Die Etappen können sowohl über einen langen Zeitraum als auch innerhalb einer Sitzung durchlaufen werden. In der Anfangsphase besteht die Herausforderung darin, Kontakte zu knüpfen und Vertrauen aufzubauen. Wenn der Therapeut etwas erzwingt, widersetzt sich der Klient. Er wird das Gefühl haben, dass der Therapeut ihn nicht versteht und die Tiefe seines Schmerzes nicht einschätzen kann. Sie können die Einstellungen des Klienten erforschen, solange der Therapeut genug Geduld dafür hat. Ein gesundes „Ich“des Klienten zu treffen und zu bilden ist unmöglich, bis der Klient den Therapeuten als eine bedeutende Figur in seinem Leben akzeptiert. Potter-Efron-Rat: "Je tiefer die Scham, desto mehr sollte der Klient dem Therapeuten vertrauen."

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